"Bitchfresse – Ich rappe, also bin ich"

„Ey du Opfa, isch fick deine Mutta!“ – wenn junge Leute nicht gerade an ihre Karriere denken und auf den harten Bänken des KPI Matheformeln, Textinterpretationen und Englischvokabeln pauken, hören sie in ihrer karg bemessenen Freizeit natürlich gerne auch mal ein oder zwei Stücke guter Musik.

Was ist für einen heutigen Teenager gute Musik? Rock und Heavy Metal scheinen auf dem Rückzug und zu Helene Fischer mag sich auch nicht jeder öffentlich bekennen. Ein voll krasser Rap muss es sein, mit aggressiven, ordinären und sexistischen Texten hart an der Grenze zum Index, bei denen wir Erwachsenen Schnappatmung bekommen und den Sozialarbeiter unseres Vertrauens verunsichert befragen, ob denn hier nicht das Wohl unserer Kinder gefährdet sei!

Und so ist Bushido, das Alphatier unter den deutschsprachigen Gangsterrappern, längst zum Idol und zweifelhaften Vorbild einer ganzen Jugendgeneration geworden. Wenn die eigenen, zwischen Fliesenleger und Strafverteidiger angesiedelten Karrierevisionen sich als nicht ganz realistisch herausstellen sollten, kann man ja immer noch Rapper werden.

Dieser Angelegenheit wollten wir mal auf den Grund gehen und haben als kleiner, aber feiner Kreis von zehn rapinteressierten KPI-Schülern im „Studio“ des Mannheimer Nationaltheaters die kabarettistisch-musikalische Vorstellung „Bitchfresse – Ich rappe, also bin ich“ besucht.

Die beiden Schauspieler Matthias Thömmes und Sascha Tuxhorn präsentieren hier schon seit fast 4 Jahren ihre satirisch-musikalische Spurensuche nach dem authentischen Lebensgefühl des Hip Hop, Sie rappen, singen, toben, flennen, schreien, dass die Schwarte kracht und ziehen so ziemlich jede Selbstinszenierung und Tellerwäscherlegende des deutschen Rap gnadenlos durch den Kakao.

Dreh- und Angelpunkt der auf der Bühne inszenierten Geschichte ist natürlich Bushido! Thömmes und Tuxhorn nehmen sich seine in dem autobiographischen Film „Zeiten ändern dich“ präsentierte Tellerwäscherlegende genauso vor, wie die flegelhaften Auftritte des Integrationsbambi-Preisträgers in diversen Talkshows. Diese Elemente vermischen sie auf äußerst unterhaltsame Weise mit den Träumen Heranwachsender, dem Elend der deutschen Provinz (der kommunale Jugendtreff in Pirmasens!) zu entfliehen und in der Metropole Berlin über die „Karriereleiter“ Drogendealer, Zuhälter und Maffiaboss zum Rapstar aufzusteigen.

Unsere KPI-Schüler waren jedenfalls von der Leistung der beiden Schauspieler, der Story als solcher und den rasanten Raps (einer davon basierte auf der Titelmelodie der Sendung mit der Maus!) restlos begeistert. Gleichzeitig ist ihnen der boshafte Sarkasmus, mit dem hier das harte Image des coolen Rappers entlarvt und sein verunsichertes, aufgeblasenes Ego der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, nicht verborgen geblieben. Und so dürfte nach der Vorstellung bei unseren Rap-Fans die Erkenntnis gereift sein, dass mit Matheformeln, Textinterpretationen, Englischvokabeln und einem ordentlichen Schulabschluss wohl doch mehr zu erreichen sein wird (Seufz!), als mit einem „Ausbildungsplatz“ im Berliner Drogenghetto!