Nikolausvorlesung

Für den 2. Adventssonntag 2011 konnten wir endlich Karten für die seit langem ausverkaufte Nikolausvorlesung erhalten. Schon weit vor Veranstaltungsbeginn hatten sich vor dem Audimax des Neuenheimer Feldes lange Schlangen gebildet, war uns doch im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Chemie und Oper“ eine „chemische Walpurgisnacht“ angekündigt.

Wir fanden auch gleich an jedem Platz eine auf einem Besen reitende  Hexe vor – allerdings als platzsparende Schokoladenfigur!

Auf der großen Leinwand  neben dem PSE wurden historische Bilder eingeblendet, so dass wir stets den Fortgang der Dramaturgie mitverfolgen konnten.

Nach der passenden Opern-Ouvertüre von Charles Gounod wurden wir ins Studierzimmer des Dr. Faust – dargestellt von einem Kammersänger des Mannheimer Nationaltheaters, der im Folgenden auch alle großen Arien dieser Figur live sang – geführt, der  - verzweifelnd nach der ewigen Jugend suchend – schließlich den Teufel selbst herbeiruft und sich dabei sehr nahe an Goethes bekannte Verse hielt.

Unter chemischen Feuererscheinungen erschien dann wirklich Mephisto: Professor Linthi, der Leiter des anorganisch chemischen Institutes der Universität Heidelberg ließ es sich nicht nehmen, diese Hauptrolle selbst zu übernehmen, und den alternden Faust unter Knallgasdonner und Stickstoffrauch in einen jugendlichen Helden zu verwandeln, freilich nicht auf den berühmten Teufelspakt, der mit (Rhodanit-)Blut unterschrieben werden musste, zu verzichten.

Im weiteren eng an Gounods Opernlibretto angelehnt zogen dann acht Saalassistenten aus des Professors Arbeitskreis alle Register der chemischen Schauversuche, um stets im meisterhaften Einklang Musik und Handlung mit akustischen und vor allem optischen Effekten zu begleiten und zu untermalen: 

Bei Valentins Zug in den Krieg wurde mit echten Kanonen geschossen; während der zärtlichen Annäherung Fausts an Margarete bildeten sich wie von Zauberhand in allen Rottönen Herzen in den Petrischalen, die auf Overheadprojektoren stark vergrößert die Hörsaalwand schmückten.

Zu Margaretes Hinrichtung schwebte ein übergroßes, brennendes Henkerschwert über dem Experimentiertisch – von Hexenbesen (an riesigen Gasballonen) seiner Schwerkraft beraubt.

Das Ende ist ja hinreichend bekannt: 

Margarete wird – von höchster Stelle begnadigt - von einer Engelschar in den von allerlei chemischen Lichteffekten bestrahlten (Hörsaal)-Himmel geleitet; Dr. Faust aber, der sich glückstrahlend am Ende seiner Wünsche wähnt, wird schließlich von Mephisto unter Rauch und Blitzen der pyrrotechnischen Chemiker-Gruppe ins ewige Höllen-Feuer gezogen. –

Doch keine Angst: Nicht jeder, der sich mit teuflisch anmutenden Experimenten einlässt, wird in der Verdammnis enden! 

Nach nicht enden wollendem Beifall schauten dann viele Zuschauer verwundert auf die Uhr: Hatte doch die Symbiose der schönen Muse Musik und der rauchenden und stinkenden Naturwissenschaft Chemie sie 90 Minuten kurzweilig in ihren Bann gezogen.

Und auch all die, die vorher weder von  klassischer Musik noch von chemischen Versuchen zu begeistern waren, mussten eingestehen, einen eindrucksvollen Nachmittag mit einmaligen Darbietungen erlebt zu haben.