Die Fahrt nach Dachau zur Gedenkstätte des ersten großen Konzentrationslagers der Nationalsozialisten, das bereits 1933 errichtet wurde, beginnt früh am Morgen, denn die Abfahrt ist um 6.00 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse (Gymnasium) und der 10. Klasse (Realschule) waren bereits im Unterricht auf das, was ihnen heute vor Ort als „spürbare Geschichte“ begegnen sollte, inhaltlich vorbereitet. Sie wussten Bescheid über die Entstehung des Nationalsozialismus, die Person und die Ideologie Hitlers, über den totalitären Staat und seine Auswirkungen, über die Menschen, die mitgemacht haben und über die Opfer der Terrorherrschaft. Sie konnten teilweise durch dokumentarische Filme, z.B. über das KZ Auschwitz, das Unterdrückungs- und Vernichtungsregime der Nazis kennenlernen und das daraus resultierende Grauen erahnen. Manchem wurde schon vor der Fahrt, dann während der Fahrt im bequemen Bus, schließlich auf dem kurzen Fußweg zum Gelände der Gedenkstätte nach und nach bewusst, dass man einen Ort betreten sollte, an dem Verbrechen an der Menschheit stattgefunden haben.

Die Gedenkstätte bietet durch ihre qualifizierten Mitarbeiter die Möglichkeit, wie in diesem Fall, ein halbtägiges Seminar für Schülergruppen zu buchen, das eine adäquate pädagogische Auseinandersetzung mit dieser – auch emotional – anspruchsvollen Thematik des NS-KZ-Systems erlaubt. Die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Begleitung durch Fachlehrer und Tutoren wurden kompetent über das weitläufige Gelände geführt. In einer der rekonstruierten Unterkünfte wurden die Schülerinnen und Schüler zunächst durch Bilder, die sie selbst auswählen konnten, an die Geschichte des KZ Dachau herangeführt. Sie konnten sich mit Fragen ganz persönlich auseinandersetzen, z.B. „Warum habe ich das Foto ausgewählt? Was will ich darüber wissen?“ Die Schülerinnen und Schüler haben sich sehr interessiert und mit eigenen Kenntnissen eingebracht. Am Ende der Begehung des Lagers wurden die jeweiligen Eindrücke in einer Abschlussrunde gesammelt und reflektiert. Auf dem Gelände selbst wurde deutlich (auch wegen der niedrigen Temperaturen), was die Häftlinge erdulden mussten, wenn sie z.B. bei Schnee und Eis in dünner Häftlingskleidung stundenlang beim Appell stehen mussten. Jedes „Nein“ zu einem Aufseher konnte zum Tode führen.

Besonders nachhaltig berührt waren die Schülerinnen und Schüler vom Ausmaß der Folterungen, der Unterbringung, z.B. in Stehzellen, von den Menschenexperimenten, z.B. absichtliche Ansteckung mit Malaria durch Ärzte, die diese Häftlinge nur als „Material“ ansahen. Auch die Zelle des bekannten Widerständlers Georg Elser konnte besichtigt werden. Manche Häftlinge entflohen dem Schrecken nur, indem sie sich freiwillig im Lagerzaun am Todesstreifen von der Wachmannschaft erschießen ließen.

 

Mehr als unangenehm berührt waren die Schülerinnen und Schüler von der Besichtigung der Krematorien und beim Gang durch die Gaskammer, die nur nicht benutzt worden war, weil ihr Betrieb (im Vergleich zu anderen in den Vernichtungslagern) nicht rentabel war. Das KZ Dachau war in erster Linie ein Arbeitslager, in dem die Häftlinge „kriegswichtige Produktion“ erfüllen sollten. Über 40.000 Menschen kamen bis 1945 ums Leben. Das zynische Motto „Arbeit macht frei“ am Lagertor (das übrigens nicht mehr im Original besteht, weil Kriminelle es vor einiger Zeit abgeschweißt hatten) hatte der Kommandant Rudolf Höß, erst im KZ Dachau eingeführt, dann für das KZ in Auschwitz übernommen.

Manche Schülerinnen und Schüler hatten auch kein Verständnis, dass nach Kriegsende so viele Täter straffrei auskommen konnten. Ein Fall wirkte besonders kontrovers, weil ein SS-Mann sich Strafminderung erwarb, weil er die Babys jüdischer Frauen und ihre Mütter kurz vor der Befreiung des Lagers durch die US-Armee, gerettet hatte, obwohl er zuvor im KZ-System mitgemacht hatte.

Insgesamt hat diese Exkursion die Schüler stärker für das Thema Nationalsozialismus sensibilisiert und mancher konnte auch sein eigenes Geschichtsbild überprüfen.